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Artikel in HKM 11-12/2009:

Der Plattenschrofenschacht (1711/53) am Admonter Kalbling, Stmk.

von Reinhard Fischer

Im Mai und Juni 2008 wurden einer neuen Höhle im Gesäuse, dem Plattenschrofenschacht am Admonter Kalbling, bei drei Fahrten vorläufig 283 m Länge bei 117 m Tiefe abgerungen. Entdeckt wurde der schmale, im Steilschrofengelände befindliche Einstieg bereits im Juli 2005 zufällig durch den Verfasser mit seinem Kletterpartner Walter Kogler bei der nebeligen Suche nach dem Einstieg der Kletterroute "Gamspfeiler" 1 . Da im Mai 2008 in den hoch gelegenen Karen des Gesäuses alle Schächte noch mit Schnee zugedeckt waren, fühlten Eckart Herrmann und der Verfasser diesem Objekt Jahre später erstmals näher auf den Zahn. Und siehe da, dem recht engen Einstieg folgten großteils geräumige Schachtstufen. Am Schachtgrund in ca. 70 m Tiefe fanden sich einerseits jede Menge Knochen und andererseits gleich drei, teilweise horizontale Fortsetzungen mit schönen Versinterungen. Die Hauptfortsetzung war jedoch auch in dieser Höhle einmal mehr ein geräumiger Schacht, welcher aufgrund seiner Dimensionen „Große Schlucht“ getauft wurde. Im Jahr 2009 wurde die Höhle bei zwei langen Fahrten schließlich mehr oder weniger vollständig erforscht und vermessen. Für Forschungshungrige wurden lediglich ein vermeintlicher Parallelschacht in der „Großen Schlucht“ und ein paar Schlote übrig gelassen. Neben dem Verfasser beteiligten sich Veronika Dittes (13.6.2009), Eckart Herrmann (18.5.2008 u. 17.5.2009), Erich Hofmann (13.6.2009), Peter Kalsner (25.5.2008, 22.6.2008, 17.5.2009 u. 13.6.2009) sowie Karl Stöger (22.6.2008) an der Erforschung und Vermessung.


Basisdaten: L 568 m, H 222 m (+1 m, -221 m), HE 90 m, Sh 1900 m.

Lage: Im Schrofenbereich der Südwände des Admonter Kalblings, östlich der bekannten Kletterrouten. In der AV-Karte wird dieser Bereich, der sich bis unterhalb des Sparafelds ausdehnt, „in den Platten“ bezeichnet.

Zustieg: Man verfolgt den markierten Weg von der Oberst-Klinke-Hütte (1486 m in ÖK50/99) auf den Kalblinggipfel bis zu jener Stelle, wo dieser in 1800 m Seehöhe seinen östlichsten Punkt erreicht. Von hier hält man sich weglos in Richtung NO aufwärts, überquert einen Graben, welcher zum Einstieg der Kletterroute „Gamspfeiler“ emporzieht und im Frühjahr lange Zeit ein Schneefeld beherbergt, und erreicht schließlich die an den steilen Grashang anschließenden Felsschrofen. Östlich eines etwas vorspringenden Wandls trifft man auf ein sich ebenfalls lange Zeit haltendes, großes Schneefeld, von dessen obersten Ende man in die Plattenschrofen einsteigt. Zuerst in Falllinie, dann etwas rechtshaltend (östlich) insgesamt ca. 70 m aufwärts kletternd (II-III), gelangt man schließlich zur - in einem kleinen Verschneidungswinkel liegenden - schmalen Einstiegsöffnung des Plattenschrofenschachtes, welche bei genauem Hinsehen bereits von der Oberst-Klinke-Hütte erkennbar ist.

Beschreibung: Bei der Öffnung handelt es sich um einen ca. 3 m hohen Minicanyon, welcher an der Basis unschliefbar abbricht und über einer 1 m hohen Stufe nach kurzem, waagrechtem Verlauf in den anfangs sehr engen Einstiegsschacht übergeht. Dieser weitet sich nach 3 m auf geräumige Dimensionen und nach weiteren 5 m Abseilfahrt erreicht man einen steil nach Westen abfallenden Schuttboden, welcher mit zwei Stufen (2 m u. 4 m) in eine neuerliche Raumerweiterung abbricht. Hier finden sich erste Wandversinterungen. Nach SSO führt ein kurzer Kriechgang zu einem unschliefbaren Abbruch in den unterhalb befindlichen Gatschbombenschacht. Dessen kleinräumiger Einstieg liegt am südwestlichen, tiefsten Teil der Raumerweiterung. Der sich rasch weitende Schacht weist in ca. 7 m Tiefe einen geräumigen Absatz auf. Unterhalb erreicht der Schacht einen Durchmesser von ca. 4-5 m und führt, nur durch zwei kleine Bänder unterbrochen, 40 m zum ebenen, mit Schutt und Knochen 2 bedeckten Schachtgrund hinab. Ab etwa Schachtmitte – im Bereich der zweiten Umsteigstelle – sind die Schachtwände teilweise mit dicken, bergmilchartigen Ablagerungen bedeckt, die bei Berührung als gatschige Patzen der Schwerkraft folgend am Schachtgrund detonieren (Name!). Hier gibt es drei Fortsetzungen: den West-Ast, den Ost-Ast und den Süd-Ast, die nördliche Raumbegrenzung wird von einem mehrere Meter hohen Sinterfall gebildet. Weiters markant ist ein offenbar umgestürzter, klobiger Stalagmit (oder mit Sinter überzogener Block) im östlichen Bereich.
West-Ast: dieser ist überwiegend horizontal ausgebildet, etwa 80 m lang, weist zusätzlich einige kurze Nebenstrecken auf, knickt nach der Hälfte von West nach Süd um und ist ohne Material befahrbar.
Er beginnt in der westlichen Raumbegrenzung mit einem dreieckig profilierten, blockigen Kriechgang - nördlich mündet ein zweiter, kleinerer Sinterfall ein, südlich ist eine niedere Kammer mit kurzem Schluf angeschlossen – welcher nach 7 m in die rund 8 m hohe Kuppelhalle mündet. Hier kann man nördlich über einen weiteren, großen, ca. 45° steilen Sinterfall zu einem unschliefbaren Schlot empor klettern. Westwärts steht man bald an einem 7 m tiefen Abbruch, welcher aber in leichter Kletterei in einer Schleife nach Süden umgangen werden kann. An der südlichen Begrenzung ist ein engräumiger Canyonrundgang ausgebildet, welcher aber aufgrund einer Engstelle nicht durchgehend befahrbar ist. Die weiter in Richtung WNW über Blöcke abwärts führende canyonartige Strecke ist anfangs 10 m hoch, aber nur 1 bis 2 m breit, verflacht sich und beschreibt einen Bogen nach Süden. Am bis zu 3 m breiten, ebenen Boden lagern hier zwei mächtige Blöcke, dazwischen findet sich etwas Schutt und Sediment. Eine nur sehr schwierig erreichbare Deckenöffnung wurde nicht näher untersucht. Nach Süden hin nehmen nun die Dimensionen des sedimentbedeckten Ganges rasch ab. Seitlich sind Felssimse ausgeprägt, an manchen Stellen finden sich feinkörnige Konglomeratreste. Nach einer kurzen Kriechstrecke, die den Eindruck eines ehemaligen bzw. temporären (?) Siphons macht, wird der Gang wieder höher und schmäler. Man überklettert eine Felsbarriere und gelangt nach weiteren 5 m – vorbei an zwei östlich angegliederten kurzen Schlufstrecken – in den 11 m x 6 m großen, gegen Süden spitz zulaufenden Endraum. Die Raumhöhe beträgt maximal 5 m. Markant ist ein von Süden in den Raum abfallender Feinschuttkegel, der fast bis zur Decke empor reicht. Ansonsten überwiegt Blockwerk, an der nördlichen Raumbegrenzung weist der Sedimentboden auf eine temporäre Wasseransammlung hin. Die westliche Raumbegrenzung wird durch eine steil einfallende Felsplatte geprägt.

Ost-Ast: Es handelt sich um eine mit einem Schluf oberhalb des „umgestürzten Stalagmits“ ansetzende, überwiegend kleinräumige, canyonartige Strecke mit ca. 30 m Horizontalerstreckung, einer Verzweigung und mehreren kurzen Nebenstrecken. Ein Schlot ist noch unerforscht. Bemerkenswert sind die hübschen Versinterungen und an einigen Stellen schön ausgebildete Kalzitkristalle.
Hinter dem Zugangsschluf fällt der Boden steil ab und man befindet sich in einem übermannshohen Canyon, welcher jedoch durch drei große Klemmblöcke verengt wird. Hinter den Blöcken knickt der Canyon einerseits nach Norden um und andererseits führt ein frei kletterbarer Abbruch in tiefer liegende Teile. Der Canyon kann stemmend 10 m nach Norden verfolgt werden, wo man bei einer Erweiterung auf ein schönes Sinterbecken mit Kalzitkristallen trifft. Der versinterte Canyon setzt sich nach oben hin schlotartig fort und ist über der ersten 3 m hohen Stufe noch unerforscht (Material erforderlich). Vom oben erwähnten Abbruch kann man zum 5 m tiefer liegenden Boden abklettern. Man erreicht eine hohe, mehrfach durch Zwischenböden und Klemmblöcke gegliederte nach NO führende Strecke mit Schutt- und Sedimentboden. Nach 10 m zweigt rechterhand (SO) ein schmaler, vorerst übermannshoher Gang ab, welcher nach einem Linksknick niedriger und nach insgesamt 5 m schließlich unschliefbar wird. Im hinteren Abschnitt finden sich im Sediment- und Feinschuttboden bemerkenswerte „Handstücke“ von zusammengewachsenen Kalzitkristallen. Nach der Abzweigung beschreibt die Strecke einen s-förmigen Knick (Canyonschlinge) und unmittelbar nach einem Klemmblock bricht ein gut 6 m tiefer, engräumiger, Blindschacht ab. Dahinter setzt sich der Canyon sehr schmal noch 8 m fort, bevor er in einer rötlich versinterten Kammer in einen aufwärts führenden Schluf übergeht und schließlich endgültig zu eng wird.
Süd-Ast: dieser führt – durch einen 10-m-Schacht unterbrochen - gut 40 m nach Süden abwärts und bricht schließlich in die über 100 m tiefe Große Schlucht ab, welche am Grund mehrere große, verschachtelte Räume aufweist, wo ein Höhlenbach sichtbar wird, welcher jedoch in einem engen Schlitz entschwindet.
Die SO-Ecke des Grundes des Gatschbombenschachtes wird durch einen Sinterwall mit winzigen Stalagmiten und einen Pfeiler geprägt, welcher einen kleinen Rundgang bildet. Dahinter befindet man sich am oberen Ende der Sinterrutsche: eine 3-4 m breite, bis 5 m hohe und 10 m lange, steil abwärts führende, schön versinterte Strecke, welche im Mittelteil einen markanten Bergmilchstalagmit aufweist und unten unvermittelt in den 10 m tiefen, geräumigen Baldachinschacht abbricht. An der gegenüberliegenden, südlichen Schachtwand fällt der namensgebende Sinterbaldachin auf. Am 17.5.2009 wurde hier eine Fledermaus im Flug beobachtet. Der Schachtgrund fällt steil über Blockwerk nach Süden ab, wo nach einer kleinen Blockstufe eine nur zwei Meter breite Bückstelle folgt, in der die Wetterführung (auswärtsgerichtet) gut spürbar ist. Danach weitet sich der Gang wieder auf mehrere Meter Breite und Höhe und führt steil über versinterte Felsplatten und kleine Abbrüche abwärts. Die linke (östliche) Raumbegrenzung wird von einer mächtigen, schräg einfallenden Wand gebildet. Durch den nun ebenen Gang, in dem einige großen Blöcke lagern, erreicht man nach rund 10 m den Abbruch in die gewaltige Große Schlucht. Die Raumhöhe beträgt hier etwa 5 m. Um zur ersten Abseilstelle zu gelangen, muss man entlang des Abbruchs etwas absteigend 5 m zur gegenüberliegenden Schachtwand queren. Die Große Schlucht zieht mit noch zunehmenden Dimensionen in südwestliche Richtung abwärts. Nach gut 10 m Abseilfahrt erreicht man einen ersten, steil über grobe Blöcke und Felsplatten abfallenden Absatz. Aus dem Deckenbereich der rechten (nördlichen) Raumbegrenzung tritt ein Gerinne ein, das im Bodenblockwerk verschwindet. Nach einer 7 m tiefen Blockstufe steht man auf einem zweiten, nur aus verkeilten Blöcken gebildeten Absatz, wo an der linken (östlichen) Schachtwand der Abstieg in den nun nahezu senkrechten, bis zu 10 m durchmessenden und 82 m tiefen Schacht beginnt. Etwas oberhalb der Schachtmitte wird an der südöstlichen Wand unter einem Überhang der einzige, halbwegs bequeme Absatz erreicht. Dieser führt abschüssig nach NO und besitzt bei einem großen angelehnten Block eine mehrere Meter tiefe Seitenspalte. Die nordöstliche Raumbegrenzung des Schachtes kann nicht gänzlich eingesehen werden, jedoch scheint ein Parallelschacht (?) anzusetzen. Nach mehreren Umsteigstellen erreicht man schließlich – die letzten knapp 20 m frei hängend – den von N nach S abfallenden, durchschnittlich 3 m breiten und 14 m langen, blockbedeckten Schachtgrund nahe seiner südwestlichen Begrenzung. Die westliche Raumbegrenzung bildet eine schräge Wand, wo hinter einer Felskulisse ein unerforschter Schlot ansetzt. Am Nordende öffnet sich ein kleiner Spalt, durch den man 7 m tief in einen weiteren Raum abseilen kann. An der gegenüberliegenden Wand tritt ein kleiner Wasserfall ein, der aber sofort im Blockwerk des abfallenden Bodens verschwindet. Am tiefsten Punkt des Schachtgrundes der Großen Schlucht befindet sich eine knapp 5  m tiefe Blockstufe, über die man mit Seilhilfe abklettern kann. Eine geräumig nach NO abwärts führende Strecke mit großen Blöcken mündet in einen weiteren, ca. 9 m durchmessenden, über 12 m hohen Raum, wo einerseits aus dem nordwestlichen Deckenbereich das Gerinne eintritt, welches in einem hacheligen Schlitzschacht noch 10 m verfolgt werden kann, bevor es in einem unschliefbaren Spalt entschwindet und andererseits südwestlich ein kleiner, knapp 5 m tiefer, fortsetzungsloser Schacht ansetzt. An der Nordostecke des Raumes ist noch eine kurze, kleinräumige, aufwärts führende Strecke zugänglich.

Befahrungshinweise:
Schon der Zustieg zur Höhle erfordert Kletterei (II-III), keine natürlichen Sicherungsmöglichkeiten vorhanden. Vorsicht auf Steinschlag durch Vorauskletternde!

Stufe Seilbedarf Verankerung
Einstiegsschacht
-15 m
29 m 3 Spits: Spit beim Eingang, Spit nach Engstelle auf -3 m, Spit nach Absatz über Abbruch an der linken Wand auf -11 m
Gatschbombenschacht
-47 m
57 m 3 Spits: Spit rechts über Abbruch, Spit nach Absatz links auf -7 m, Spit rechts auf -20 m
Baldachinschacht
-10 m
19 m 2 Spits, Rückverankerung an Köpfl: Spit rechts vor Abbruch, Spit auf -2 m
Große Schlucht
-110 m (-17 m, -8 m, -85 m)
155 m 4 Spits, 11 Segmentanker (SA): 2 Spits vor Abbruch rechts, 2 Spits nach Querung entlang des Abbruchs links, SA rechts bei Blockabbruch, SA 3 m darunter, SA auf Blockabsatz links, SA 3 m darunter, SA 6 m darunter auf Spitze eines Vorsprungs, SA 15 m darunter auf abschüssigem Band links, SA 5 m tiefer (auf Seilführung achten!), SA 8 m tiefer unter breitem Absatz, SA 5 m links unterhalb, SA 8 m darunter bei kleinem Band, SA 15 m darunter
Blockabbr. Schachtgr.
-5 m
8 m Sanduhr in südlicher Raumbegrenzung
Nebenschacht Schachtgrund
-7 m
10 m Spit bei Abbruch

Bei einer Begehung des Wandfußes, ca. 200 bis 350 Hm in Falllinie unterhalb des Einstiegs des Plattenschrofenschachtes durch P. Kalsner und den Verfasser am 12.6.2009 waren zwei Quellaustritte (Sh. ca. 1600 m) auffällig. Ein Zusammenhang mit dem Gerinne in den tiefen Teilen des Schachtes ist nicht unwahrscheinlich. Dieser Bereich liegt bereits im Dolomit und ist durch zerfurchte Gräben und Steilschrofen gekennzeichnet.

Dank:
Mein Dank gilt den beteiligten ForscherInnen, den Pächtern der Oberst-Klinke-Hütte, welche uns mehrmals beherbergten und unsere Forschungen mit Interesse verfolgten, Simone Pysarczuk für die Bestimmung der Fledermausknochen, meinem Bruder Walter für die Unterstützung beim Planzeichnen sowie Volker Weißensteiner vom katasterführenden Verein für die Vergabe der Katasternummer.


1 Es wurde damals auch noch der richtige Einstieg der Route gefunden und diese auch geklettert.

2 2008 wurden mehrere Schädel geborgen und an Simone Pysarczuk zur Bestimmung übergeben: 8 Große Mausohren (Myotis myotis), 1 Bart- oder Brandtfledermaus (Myotis mystacinus/brandtii), 1 Myotis mittelgroß (nicht näher bestimmbar), 1 Nager, 1 Hermelin (Mustela erminea) (?). Weiters wurde im Bodensediment eine große Anzahl von Schneckenhäusern festgestellt.


Bild Beim Einstieg

Beim Einstieg, Foto: R. Fischer


Bild Abseilfahrt im Gatschbombenschacht

Abseilfahrt im Gatschbombenschacht, Foto: R. Fischer


Bild Schachtgrund im Gatschbombenschacht

Schachtgrund im Gatschbombenschacht, Foto: R. Fischer


Im Ost-Ast, Foto: R. Fischer


Bild Kalzitkristalle im Ost-Ast

Kalzitkristalle im Ost-Ast, Foto: R. Fischer


Bild In der Großen Schlucht

In der Großen Schlucht, Foto: R. Fischer


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